Kastration und Frühkastration beim Meerschweinchen

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Eliza1

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Warum soll man Meerschweinchenböcke kastrieren lassen?

Das ist eine Frage, mit der Kastrationsbefürworter oft konfrontiert werden. Die häufigste Begründung, sich gegen eine Kastration zu entscheiden, ist, dass in der reinen Bockhaltung die Gefahr der Vermehrung wegfällt, der Bock so einer unnötigen Operation ausgesetzt wird und der Halter sich diese Kosten sparen kann.

Klingt logisch, leider sieht die Realität ganz anders aus, denn …

… das Zusammenleben mehrerer unkastrierter Böcke ist tendenziell problematisch!

Nicht nur weil nicht alle unkastrierten Böcke bockgruppenfähig sind, sondern weil hier ohne ausreichende Erfahrung und besonderen Guck des 2Beins das Rudelgefüge innerhalb des Bockrudels sehr schnell umkippen kann.
Es sind manchmal Kleinigkeiten, die für ein 2Bein gar nicht so relevant erscheinen, für die Kerle aber sehr wichtig sind.

Auch das unüberlegte "einmal Babys haben wollen" mit einer Sau, die keine Babys bekommen sollte wegen Schimmelproblematik oder weil sie entweder zu alt, zu jung, vom Gewicht her zu schwer oder zu leicht ist, wäre dann nicht mehr gegeben, wenn die Böcke in Liebhaberhaltung kastriert wären.

Zur Schimmelproblematik könnt ihr euch die nachfolgenden Infolinks durchlesen:


Merkblatt Schimmel & Dalmatiner



Schimmel & Dalmatinerzeichnung wichtige Information



Die Empfehlung von seriösen Meerschweinchennotstationen ist somit ganz klar: keine unkastrierten Buben in Liebhaberhaltung!

Als Information möchte ich euch diese Seite ans Herz legen => Bockproblematik




Die Kastration beim bereits zeugungsfähigen Meerschweinchenbock …


… ist ein deutlich geringerer Eingriff als bei einem weiblichen Meerschweinchen - deswegen ist die männliche Kastration zur Vermeidung von unkontrollierter Vermehrung vorzuziehen.

Kurze Beschreibung:

Hier werden zwei kleine Schnitte am Hodensack gemacht, der Hoden abgebunden und entnommen und anschließend die Wunden versorgt.

Erfahrungsgemäß wird die Gasnarkose unter Schmerzmittelgabe von Meerschweinchen am besten vertragen, mein Rat hierzu: sich vorab mit dem ausgewähltem TA persönlich unterhalten.
Die Nachbehandlung kann, je älter der Bock ist, länger sein, da das Gewebe des Bockes immer derber wird, deswegen mein Rat hierzu: Je jünger man die Böcke kastrieren lässt, desto leichter stecken sie die Narkose und die Wundheilung weg.

Wichtig zu beachten ist die 6-wöchige Kastrationsfrist, diese Zeit braucht es etwa, bis alle lebenden Spermien abgestorben sind.
Heißt: Zu Weibchen darf der Bock erst nach der abgesessenen Kastrafrist!

Die Kastration beim weiblichen Meerschweinchen ...


… ist eine OP an der offenen Bauchhöhle und somit ein deutlich größerer und komplizierterer Eingriff als die Kastration beim Meerschweinchenbock.

Aus diesem Grund sollte hier nur ein wirklich erfahrener Operateur das weibliche Meerschweinchen operieren, da es besonderer Sorgfalt und Erfahrung bedarf.

Hier findet ihr einen Fallbericht von Dr. Volker Harra, Vet. Journal.

Besondere medizinische Indikation, eine solche OP durchzuführen, wären z.B. eine krankhafte Veränderung oder Entzündung der Gebärmutter. Aber auch ein hormonell beeinflusstes aggressives Verhaltensmuster gegenüber Artgenossen, die eine Vergesellschaftung unmöglich machen, wenn eine hormonelle Behandlung vorab erfolglos verlaufen ist.

Eventuell mögliche Nachteile von Kastrationen beim weiblichen Meerschweinchen sind z.B. eine Neigung zur Harninkontinenz, Adipositas (Verfettung) und unerwünschte negative Wesensveränderungen.
Insbesondere die Rekonvaleszenzzeit (Genesungzeit nach der OP) birgt einige Hürden, angefangen von Wundheilungsstörungen bis über das Verweigern von Futter; hier bedarf es unbedingt einem besonderen Guck und besonderer Pflege für das Meerschweinchenweibchen, damit es diese Zeit übersteht!


Nachteil von unkastrierten Böcken

... wird die Meerschweinchenhaltung aufgegeben, bleibt nach der Erfahrung vieler Notstationen oft ein alter unkastrierter Bock übrig, meist zu alt zum Kastrieren!

... diesen Altbock mit einem etwa gleichalten Bock geeignetem Buben zu vergesellschaften, ist oft nur schwer möglich, da das Handling mit unkastrierten Böcken, wie schon beschrieben, sehr schwierig ist, je nachdem, wie dominant, wie gut die Herren in der Grundstruktur sozialisiert sind und welche Charaktereigenschaften sie mitbringen. Auch der Gesundheitszustand kann ausschlaggebend sein, welches Alter und Charaktereigenschaften der Partnerbock (besser Kastrat) mitbringen muss.

So bleibt, um dem Altbock die Einzelhaft zu ersparen, oft nur, ihn mit einem Babybuben zu vergesellschaften, was für beide nicht wirklich optimal ist, da der Jungspund den Altbock mit seinen Rappelphasen nervt und es dem Jungbock mit dem Altbock recht langweilig ist ...


Die Frühkastration

... die Meerschweinchenbabybuben werden bei einem Gewicht von 200 bis knapp 300g frühkastriert, bei einem bestätigten Frühkastraten sind die Hoden noch nicht in die Hodensäcken heruntergewandert, sondern befinden sich noch in den Leisten!
Sie werden also vor der Geschlechtsreife (Zeugungsfähigkeit) kastriert.

In der Schweiz wird diese Art der Kastration beim Meerschweinchen schon recht lange durchgeführt (über 20 Jahre), sie birgt nach meiner eigenen insgesamt 8-jährigen Erfahrung in der Frühkastratenhaltung nur Vorteile:

Vorteile der Frühkastration


… da die Babybuben zu diesem Zeitpunkt noch nicht zeugungsfähig sind, können sie direkt nach der Frühkastration wieder zurück in das Gehege zu ihrem gewohnten Rudel bzw. zur Mama, und dürfen die Milchbar noch etwas genießen, da Frühkastraten keine Kastrationsfrist absitzen müssen.

… die wirklich sehr schnelle Wundheilung sowie die Tatsache, dass junge Buben die Narkose erfahrungsgemäß besser wegstecken als ältere Böcke.

… da die Kastrationsfrist wegfällt und die Buben wieder zurück in ihr Rudel dürfen, bekommen sie die bestmögliche Sozialisierung, die man den kleinen Buben mit auf den Weg geben kann; optimal ist, wenn sich schon ein Kastrat im Rudel befindet.

… Mischgruppenhaltung, welche ermöglicht mehreren Buben in einem Rudel ein Zuhause bieten zu können; es ist die natürlichste Form der Haltung und nach meiner Erfahrung auch einer der für die Schweinchen und das 2Bein abwechslungsreichste Haltung.

... auch die Kastratenhaltung ist mit Frühkastraten mit entsprechender Sozialisierung deutlich einfacher.

Nachteil


Leider gibt es hier in Deutschland erst sehr wenige Tierärzte, die diese Art der Kastration durchführen. In manchen Gebieten kann man sich nur telefonisch bei den sich im Umkreis befindenden Tierärzte durchfragen, ob sie bereit sind, eine Frühkastration durchzuführen. Auch ist ein Nachfragen nach Erfahrungen des Tierarztes mit solchen Eingriffen sinnvoll.

Aus diesem Grund habe ich angefangen, eine Liste mit TÄ, die frühkastrieren, zu führen.

Tierärzte, die sich auf dieser Liste befinden, wurden mir von Usern empfohlen, die ihre Meerschweinchen dort haben frühkastrieren lassen.

Meine private Meerschweinchen Frühkastrations-Tierarztliste
wird stetig von mir erweitert, heißt, kennt ihr einen solchen TA, würde ich mich freuen, wenn ihr mir eine Nachricht mit der Empfehlung per PN zukommen lasst, so schaffen wir es gemeinsam, die noch dunklen Flecken zu füllen. Gerne dürft ihr diesen Link auch teilen.

Ihr findet den Link zu meiner private Meerschweinchen Frühkastrations-Tierarztliste auch in meiner Signatur, erspart das Suchen ;)



Infolinks zur Frühkastration:


=> http://www.sos-meerschweinchen.de/index.php/11-wissenswertes/272-fruehkastration


=> http://tierarztpraxis-achim.de/images/formulare/Fruehkastration_eines_Meerschweinchenboeckchens.pdf

=> http://www.tierzahnarzt.ch/images/stories/pdf/interessantes/morgenegg_fruehkastration.pdf


Meine eigene Erfahrung zu Frühkastraten:


Die besten Rudelführer in meinem Mischrudel sind bis jetzt meine Frühkastraten gewesen; sie übernehmen eifrig die Erzieherrolle für die Babys, egal, ob Babyfrühkastrat oder Babymädchen.

Frühkastraten sind sehr gute Streitschlichter, haben weder körperliche noch geistige Nachteile in der Entwicklung.

Ihre wirklich sehr gute Sozialisierung macht es möglich, mehrere Kastraten (Frühkastraten) in einem Rudel zu halten, was wiederum pro Tierschutz ist, da die Bubenquote bei Geburten immer deutlich höher liegt als bei den weiblichen Meerschweinchen.


LG Eliza
 
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