
Magnetenergie
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Micky
Plumps. Plötzlich war es wieder hell um Micky herum. Und nichts als Weite. So weit er auch schaute nirgends war ein Ende zu sehen. Er hörte noch wie sich schwere Schritte entfernten, dann schlug eine Autotüre und ein Motor heulte auf. Dann was es still. Nur den kalten Wind konnte Micky spüren und der drang ihm durch sein ganzes, kleines Körperchen. Micky blinzelte und rief leise nach seiner Mama. Nichts geschah, nichts war zu hören. Resigniert liess er sein Köpfchen sinken und versuchte nachzudenken.
Was war passiert? Gestern noch hatte seine Mama ihn stolz ihren Menschen präsentiert. Er war nun drei Wochen alt und seine Mutter hielt es für richtig ihn der Bauersfamilie vorzustellen. Die Kinder waren hellauf begeistert, was war er doch für ein hübsches, blassrotes Katerchen. Sie haben ihn gekitzelt und er hatte es genossen. Gleich hat er angefangen mit den Kindern zu spielen. Ganz vorsichtig war er und hat sie weder gekratzt noch gebissen. Seine kleinen Milchzähnchen waren messerscharf und auch seinen noch winzigen Krallen konnte man ansehen, das sie einmal gefährliche Werkzeuge für eine erfolgreiche Jagd werden würden. Später, als die Kinder weg waren, hörte er den Bauern mit seiner Frau tuscheln. Die Frau wurde etwas lauter: „aber sieh doch die Kinder lieben das Katerchen“ „Ja“ antwortete der Bauer,“ aber er ist ein Kater, und noch dazu ein Herbstkater. Er wird nie im Leben Mäuse fangen. Er wird erwarten, das wir ihm Futter hinstellen. Das können wir uns nicht leisten. Er kommt weg, das ist mein letztes Wort. Morgen bringe ich ihn weg.“
Das hörte Micky noch bevor er einschlief. Am nächsten Morgen wurde er einfach gepackt, in einen Sack gesteckt und mitgenommen. Seine Mama war auf der Jagd, wie jeden Morgen und hat das alles nicht mitbekommen. Jetzt war er also hier auf diesem Acker. Vielleicht war seine Mama ja in der Nähe zum jagen? Er rief seine Mama, erst ganz leise, dann immer lauter und lauter. Er fror, er hatte Hunger und Durst und sehnte sich nach ihrer Fürsorge und Liebe. Aber sie kam nicht.
Micky wusste nicht, wie lange er auf dem Acker herumgeirrt war. Auf einmal hörte er Stimmen. Kinderstimmen! Das waren doch solche Stimmen wie er sie beim Bauern gehört hatte. Die Kinder hatten ihn doch gemocht. Micky fasste neuen Mut. Er stellt sein Schwänzchen ganz gerade nach oben, wie eine Antenne, damit man ihn auch nur ja nicht übersehen konnte und fing an aus Leibeskräften zu schreien. Da, die Stimmen verstummten. Die Kinder lauschten und Micky schrie so laut er konnte. Die Kinder kamen näher und fanden ihn schliesslich. Sanft und ganz vorsichtig nahmen sie ihn auf den Arm und redeten beruhigend auf ihn ein. „Wir bringen das Kätzchen erst einmal nach Hause“, sagte der älteste der drei Buben. Durch das sanfte wiegen während der Bub ihn Heim trug schlief Micky ein. Er wachte auf vom aufgeregten Stimmengewirr der Kinder, als sie zu Hause angekommen waren und ihrer Mutter aufgeregt erklärten wie und wo sie Micky gefunden hatten. „joi, so ein kleines Mutzerl. Wer macht denn so was ? Oder kann es sich verlaufen haben?“ Nein, wohl eher nicht, weit und breit war ja nichts als Felder und Wiesen, aber kein Haus. Micky bekam erst einmal einen warmen Platz und etwas Milch. Während er einschlief hörte er die Mutter sagen: „ Aber behalten werden wir das Katzerl nicht können. Wir haben schon zwei und die werden es nicht dulden. Ich werde meine Freundin anrufen und sie um Rat fragen.“ Damit waren die Kinder einverstanden. Die Mutter rief indes die Freundin an und fragte, was sie nun mit dem Tierchen machen sollte. Gottseidank, Inge wusste Rat. „hörst“, sagte sie, „ich hab noch eine Freundin hier gar nicht weit von mir. Die hat zwar schon einige Katzen, aber ihre Tiere sind ziemlich sozial und ich denke, sie wird das Kätzchen nehmen. Ich werde vorbeifahren und sie fragen.“
Am Vormittag noch fuhr Inge rüber zu Ihrer Freundin Andrea und fragte sie ob sie das Kätzchen nehmen würde. Klar, keine Frage, ist doch selbstverständlich. Sogleich rief Inge an und sagte das Andrea das Tierchen gerne nimmt. Nun, Micky war aber inzwischen bei einer Nachbarin gelandet, so bekam Inge erst einmal eine Absage.
Am Abend dann stand Inge plötzlich und unerwartet doch noch einmal vor Andrea’s Tür. In der Tasche den, wie sich inzwischen herausgestellt hat, kleinen Kater Micky. Die Nachbarin habe ihn zurückgebracht: sie braucht doch keine Katze.
Nun wurde Micky wieder gehätschelt und verwöhnt. Aber klar, er war erst einmal gehörig misstrauisch. Würde er hier jetzt bleiben dürfen? Vorsichtig sah er sich um: Ui, da kamen ja eine ganze Menge potentieller Mamas auf ihn zu. Sie beschnupperten ihn, eine, Farina, fing sogar gleich an ihn zu putzen. Könnte was werden.
Nur einer war nicht einverstanden mit dem Zuwachs: Bussi Bär. Aber dazu später mehr. Nicht alle Katzen waren begeistern darüber, das Micky nun bei Andrea leben sollte. Es gab sogar richtig Krach. War doch die bestehende Rangordnung in Gefahr. Andrea, von allen Katzen Mama genannt, nahm Micky erst mal mit ins Bett. Hier war es warm und weich und die meisten anderen Katzen kamen auch. So konnte er sie gleich alle beschnuppern. Micky war gottseidank kein introvertierter Kater und beschnupperte alle. Er ließ sich beschnuppern, wurde angefaucht und geputzt. Die meisten ignorierten ihn erst einmal, rollten sich zusammen und schliefen. So verlief diese erste Nacht ruhig.
Die Probleme stellten sich am nächsten Morgen ein, denn Micky war noch zu klein für das Trockenfutter, das den grossen Katzen ausreichte. Schliesslich gingen sie noch auf die Jagd und zusammen mit der Milch am Morgen reichte ihnen das vollkommen aus. Micky brauchte aber noch Nassfutter. Also bekam er eine Sonderstellung, denn er bekam dreimal am Tag etwas zusätzlich. Dies festigte seine Stellung in der Gruppe nicht, im Gegenteil, die anderen schubsten ihn nur noch herum. Mama ging dann noch für Alle „Dose“ kaufen. Nun hatte es Micky in der Gruppe leichter. Zwar bekam er öfter als die Anderen, aber sie bekamen jetzt einmal am Tag eine leckere Dose. Das hatten sie ihm zu verdanken. So wurde er zumindest schon mal nicht mehr angefaucht.
Carlo war dann der Erste, der zaghaft anfing mit Micky zu spielen. Es war am Nachmittag des folgenden Tages. Micky untersuchte sein neues zu Hause. Überall roch es interessant nach den anderen Katzen. Und nach Hund roch es auch, das machte ihm aber noch Angst. Carlo folgte Micky, roch an den Selben Stellen wie Micky und erklärte ihm nach wem es dort roch. Micky prägte sich das alles ein. Nach einer Weile wurde er müde und legte sich auf einen der Sessel, die nahe beim Ofen standen. Hier war es kuschelig warm, fehlte eigentlich nur noch eine Mama zum nuckeln. Farina lag da, die hatte ihn doch geputzt. Einen Versuch ist es wert. Farina war müde und duldete eine Weile seine Versuche eine Zitze zu finden, doch als er endlich eine erwischt hatte, fauchte sie ihn an und wies ihn zurecht. Micky legte die Ohren an und duckte sich um zu zeigen das er doch ganz lieb war. Farina liess es dann auch gut sein und putzte ihn. Micky rollte sich zufrieden zusammen und schlief ein.
Später kam Inge vorbei. Sie wollte ein Schwätzchen halten und natürlich sehen wie es Micky ging in seinem neuen zu Hause. Klar wurde Micky wach und ging wieder daran sich umzuschauen. Auch Carlo war wieder dabei, allerdings wollte er spielen. Schon bald war eine wilde Jagd im Gange bei der einmal Carlo Micky jagte und einmal Micky den Carlo. Hey, das war ein Vergnügen. Vor allem Mama und Inge bogen sich vor Lachen, denn Micky war natürlich noch sehr ungeschickt und tollpatschig. Das sah furchtbar lustig aus.
Bussi Bär dagegen war immer noch beleidigt. Bisher war er das Nesthäkchen. Man musste ihn nie sehen, denn man hörte ihn. Sobald er den Raum betrat, fing er laut an zu schnurren. Seit Micky da war, tat er das nicht mehr. Alles drehte sich nur noch um den Kleinen und er fühlte sich abgemeldet. Mama und Papa versuchten zwar mit ihm zu schmusen, aber Bussi Bär drehte sich beleidigt um und schaute traurig drein. Sanft nahm Mama ihn ins Gebet: „Schau“ sagte sie, „Micky war ausgesetzt. Einfach von seiner Mama weggerissen und rausgeschmissen. Seine Menschen wollten ihn nicht liebhaben. Er ist ganz alleine auf der Welt und braucht ganz viel Schutz. Den hast du auch gebraucht, obwohl du eine Mama hattest. Papa und ich haben dich beschützt. Und wir haben dich noch immer lieb, auch wenn der kleine Micky jetzt mehr Schutz braucht als du. Aber du kannst uns helfen. Kümmer dich ein wenig um Micky und beschütze ihn. Spiel mit ihm und du wirst sehen, er braucht uns dann weniger und wir haben wieder mehr Zeit für dich.“ Bussi Bär drehte sich um, er wollte das nicht hören. Insgeheim dachte er aber über Mama’s Worte nach. Der Abend kam und die Nacht verbrachten alle wieder im Bett. Micky versuchte sich an Bussi Bär zu schmiegen. Bussi Bär schubste ihn weg. Mama streichelte zuerst Bussi Bär und dann Micky und legte Micky wieder zu Bussi Bär hin. Am nächsten Morgen waren Bussi Bär und Micky ein Knäuel. Eng aneinander geschmiegt schliefen sie. Als Mama wach wurde und das sah, streichelte sie sanft Bussi Bär und der fing wieder an zu schnurren. Vorsichtig zwinkerte er mit den Augen und fing an Micky zu putzen. Von jetzt an gehörte Micky ganz zur Familie.
Von allen Katzen akzeptiert hatte Micky nur noch ein Problem: Der Hund! Der Hund hiess Askino und war ein Sibiran Husky. Askino war schon 15 Jahre alt und hatte schon viele Katzenkinder gehütet. Askino liebte Katzen. Er war ganz sanft und vorsichtig, aber eben für den kleinen Micky auch riesengross. Sobald Micky ihn sah, machte er einen Buckel und stellte seine Haare auf, damit er selber grösser aussah und Askino imponieren konnte. Nur zu dumm, das den das gar nicht beeindruckte. Ruhig und vorsichtig tappte der grosse Hund an ihm vorbei zur Wasserschüssel und trank. Micky kam vorsichtig näher und schnupperte an Askino‘s Pfoten. Scheu riskierte er einen Blick nach oben zum Kopf. Sanfte, braune Augen blickten ihn wohlwollend an. „Na du kleiner Wicht“, brummelte Askino, „brauchst keine Angst haben vor mir. Ich bin gross, ja, aber ich tue dir nichts. Sieh doch die anderen Katzen. Sie alle habe ich aufwachsen gesehen. Die meisten haben als Babys auf mir herumgeturnt. Und wenn sie Heimkommen schmusen sie erst mal mit mir. Denn ich beschütze sie. Nebenan, beim Nachbarn ist ein kleiner Kläffer. Die heisst Susi und kann Katzen nicht leiden. Vor DER musst du dich in Acht nehmen. Manchmal kommt noch ein kleiner Rüde mich zu besuchen. Theo heisst er und ist klein und hellbraun, mit ganz langem Fell. Der ist aber auch lieb und tut dir nichts, denn auch er hat eine Katze zu Hause. Susi hingegen lasse ich hier gar nicht rein. Warte mal, ich lege mich mal hin, dann kannst du mich besser beschnuppern. Geh mal zur Seite, damit ich dir nicht weh tue.“ Ja na gut, versuchen wir das mal. Micky sprang auf den Sessel und hangelte mit der Pfote nach Askino. Das Fell war weich und Askino legte sich hin. Eigentlich wollte Micky ja nur vom Sessel herunter, aber dadurch, dass er mit der Pfote nach Askino geangelt hatte, hatte er sich in dessen langem Fell mit seinen Krallen verheddert und hing fest. Plumps lag er auf Askino. Dieser lachte leise vor sich hin. Ach wie tollpatschig sind doch diese kleinen.

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